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1:1-Ausstattung – Erfahrungen aus der Praxis – ein Interview           

«…schwache Kinder profitieren beim Schreiben enorm…»

Vielerorts wird über die 1:1-Ausstattung mit Geräten in der Primarschule diskutiert. Der IT-Dienst der Schule Rapperswil-Jona initiierte die Anschaffung von Geräten für alle Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse auf Herbst 2022.

Wo liegen die Chancen, welches sind die Herausforderungen und welche Stolpersteine gilt es zu beachten? Brigitte Ardüser, Primarlehrerin und PICTS in Rapperswil-Jona, gibt Auskunft.

Gab es spezielle Schulungen für die Beteiligten?

Ja. Die MIM (Medien- und Informatikmentoren) schulten die PICTS, diese waren verantwortlich für die Schulung der Lehrpersonen. Die MIM gaben eine Checkliste an Anforderungen an die Lehrkräfte heraus, die erfüllt werden mussten. Dies waren zum Beispiel: Dokumente abspeichern mit OneDrive, Dokumente teilen, Teams beherrschen. Vor allem also Microsoft 365-Programme. Ausserdem erstellten die MIM auf Sharepoint eine Plattform mit den wichtigsten Infos, damit das eigene Gerät aufgesetzt werden konnte.

Die Schülerinnen und Schüler wurden dann wiederum von ihren Lehrkräften instruiert, wie sie ihre eigenen Geräte aufsetzen und Apps herunterladen mussten. Die hat sehr gut geklappt. Wir hatten mit viel mehr Problemen gerechnet.

Hat sich durch die Anschaffung erhöhter Bedarf an Elternarbeit ergeben?

Es gab einzig einen verpflichtenden Elternabend, den die Schulleitung mit den PICTS leitete. Dazu kamen vereinzelte Eltern, die die Vereinbarung nicht unterschreiben und darüber diskutieren oder einzelne Punkte herausstreichen wollten. Ausserdem gab es Eltern, die sagten, sie hätten genügend Geräte zuhause und wollten das Schulgerät sicher nicht auch noch im Haus haben. Die Vereinbarungen wurden dann individuell angepasst.

Wie ist das Interesse der SuS an der Arbeit mit den Geräten?

Riesig! Sie freuen sich jedes Mal, wenn sie das Gerät nutzen dürfen.

Dürfen die Geräte nach Hause genommen werden?

Grundsätzlich entscheidet jede Schuleinheit selbst, wie das gehandhabt wird. Dazu gibt es die erwähnte Vereinbarung mit den Eltern. In der Praxis ist es aber so, dass es auch innerhalb des Schulhauses unterschiedlich macht wird. Während einige die Geräte in den Ferien nach Hause geben, möchten andere Lehrkräfte sie selbst übers Wochenende in der Schule haben. Das führt oft wieder zu Diskussionen mit den Kindern.

Nutzt ihr die digitalen Versionen von Lehrmitteln oder weiterhin gedruckte Ausgaben?

Wir haben noch mehrheitlich Bücher. Aus meiner Sicht sind die meisten Lehrmittel, mit Ausnahme von Dis-donc, noch nicht parat. So bietet beispielsweise die digitale Version des Mathebuches keinen Mehrwert, ist aber im Endeffekt um einiges teurer.

Abbildung 2 – deepai.org

Kannst du uns einen Einblick geben über Arbeiten, die mit den Geräten erledigt werden?

Ein Beispiel aus dem Deutschunterricht ist ein kollaborativer Schreibanlass. Nach der analogen Ideensuche schrieben die Schülerinnen und Schüler in einem geteilten Worddokument gemeinsam an der Geschichte. Besonders Kindern, die keinen schönen Schreibablauf haben, erleichtert der Computer das Schreiben enorm, selbst wenn sie das Zehnfingersystem, das eigentlich ab der 3. Klasse geübt wird, nicht beherrschen.

Ich setze das Gerät oft im Wochenplan als Teil des Übens ein, in dem ich Online-Übungen anbiete, als Ersatz für ein Arbeitsblatt.

Habt ihr eine definierte Liste mit Anwendungen, die die Klassen nutzen sollen, oder sind die Lehrkräfte frei in der Wahl der Plattformen, Apps und Webseiten?

Wir erwarten, dass hauptsächlich mit Microsoft 365 gearbeitet wird, da wir all diese Zugänge gekauft haben. Andere kostenpflichtige Anwendungen wollen wir so weit wie möglich reduzieren.

Was ist deiner Meinung nach der grösste Gewinn, der mit den Geräten erzielt werden konnte?

Ich finde, extrem schwache Kinder, Kinder mit Lese-Rechtschreibeproblem oder fremdsprachige Kinder profitieren beim Schreiben enorm von den Wordtools wie Rechtschreibprogramm, Editor, Vorlesefunktion. Ein weiterer Gewinn ist die Motivation, die viel grösser ist, wenn der Text auf dem Laptop geschrieben werden darf.

Vor welchen Stolpersteinen kannst du uns warnen, damit wir nicht auch darüber fallen?

Etwas vom Schwierigsten ist bei uns die Aufbewahrung der Geräte. Die Laptops samt Ladegerät werden in der Hülle auf der Fensterbank deponiert. Es war kein Budget für Schränke mit Ladefunktion vorhanden. So erlebe ich es häufig, dass ich den Unterricht starte und mehrere Kinder den Akku nicht geladen haben.

Weiter gilt es zu überdenken, was passiert, wenn du zwei Lektionen mit dem Laptop geplant hast und einer sein Passwort nicht mehr weiss. Oder ein Kind den Laptop nicht dabeihat. Das sind die mühsamen Sachen.

Die Schere ist auch in diesem Bereich riesig. Wir haben Schüler, die Cracks sind und programmieren können, während andere ewig brauchen, um sich einzuloggen, und noch keine Ahnung vom Gerät haben. Eigentlich bräuchte es auch hier ISF-Lektionen.

Das Gespräch fand am 9. März 2023 statt.

Isabelle Woodtli, Primarlehrerin in Wallenwil, in Ausbildung zum iScout

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